Restitution
Die Restitution von Kunst- und Kulturgut
Die Provenienzforschung hinsichtlich der eigenen Museumsobjekte ist für die Kulturstiftung ein wichtiger zentraler Aufgabenbereich. Dazu gehört sowohl die Überprüfung dieser Bestände nach NS-Raubkunst als auch die Ermittlung von Kunst- und Kulturgut, das zur Zeit der DDR Privatpersonen weggenommen wurde und nach dem Vermögensgesetz von 1990 zurückzugeben ist. Außerdem steht die Stiftung in der Pflicht, auf der Grundlage des vom Deutschen Bundestag am 27. September 1994 beschlossenen Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes „bewegliche Sachen“ – also vor allem Kunst- und Kulturgüter – die zwischen 1945 und 1949 in der Sowjetischen Besatzungszone durch die sogenannte Bodenreform enteignet wurden, zurückzuübertragen.
Die Moritzburg in Halle (Saale) wurde damals in der Provinz Sachsen (seit 1947 Sachsen-Anhalt) als zentrales Depot für enteignetes Kunst- und Kulturgut genutzt. Etwa 130 Provenienzen sind nachweisbar. Zahlreiche Räume von Schloss Wernigerode dienten als Außenlager. 1994 umfasste der museale Gesamtbestand dieses Schlosses etwa 30.000 Stücke, darunter Gemälde und Grafiken, Möbel, Textilien, Waffen, Porzellane, Fayencen und wertvolle Silber- sowie Glasstücke, außerdem unterschiedlichste Archivalien, wie nachgelassenes Schriftgut, historische Dokumente, Karten, Pläne und Fotografien. Etwa die Hälfte dieser seit 1995 landeseigenen und von der Kulturstiftung verwalteten Sammlungen stammte aus 80 Enteignungsmaßnahmen der Bodenreform. Enteignetes Kunst- und Kulturgut gelangte auch in die zur Stiftung gehörenden Museen der Burg Falkenstein und des Schlosses Neuenburg.
Die Landesämter zur Regelung offener Vermögensfragen Sachsen-Anhalts, Thüringens und Sachsens haben seit 1996 bei der Kulturstiftung etwa 280 Anfragen nach dem Verbleib solcher Kunst- und Kulturgüter gestellt. Bis September 2018 konnten in den Sammlungsbeständen der Moritzburg, des Schlosses Wernigerode, der Burg Falkenstein und der Neuenburg rund 27.000 Stücke eindeutig als enteignetes Kunstgut identifiziert, ihren ehemaligen Eigentümern zugeordnet und vermögensrechtlich restituiert werden. Außerdem wurden allein aus den Wernigeröder Schlossdepots 920 Kunstgutobjekte auf der Grundlage des Vermögensgesetzes zurückgegeben. Seit dem Jahr 2000 gelang es aber auch, zahlreiche restitutionsbehaftete Museumsstücke, darunter vor allem mehrere wertvolle Gemälde, im Rahmen einvernehmlicher Regelungen für das Landeskunstmuseum Sachen-Anhalt in der Moritzburg, das Jagdschloss Letzlingen und für das Schloss Neuenburg mit einem Gesamtwert von über 240.000 Euro zu erwerben.
Die Moritzburg in Halle als zentrales Sammellager für enteignetes Kunst- und Kulturgut
Ein Forschungsprojekt der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste
Am 3. September 1945 erließ die Landesverwaltung der Provinz Sachsen eine Verordnung über die Bodenreform. Die damit angestrebte „Liquidierung des feudal-junkerlichen Großgrundbesitzes“ sollte die „Herrschaft der Junker und Großgrundbesitzer“ beseitigen. In der Provinz Sachsen wurden daraufhin über 2.200 Güter enteignet. Die Besitzer waren meist geflohen oder ausgewiesen worden. Das in den Schlössern und Gutshäusern zurückgelassene Inventar – Kunstwerke wie Gemälde und Skulpturen, aber auch Möbel, Waffen, Bibliotheken und Archive – galt nun als „herrenlos“. Um es vor Zweckentfremdung, Zerstörung und Diebstahl zu schützen, wurde es zunächst unter den besonderen Schutz der Provinz gestellt, in Sammeldepots eingelagert und dort magaziniert. Das Hauptdepot für diese „Kulturgutsicherstellung“ in der Provinz Sachsen/Land Sachsen-Anhalt befand sich in der Moritzburg in Halle (Saale), die Schlösser in Wernigerode und Beichlingen dienten als dessen Außenstellen.
In dem auf zwei Jahre angelegten und in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg durchgeführten Forschungsprojekt soll am Beispiel der Moritzburg der Umgang mit Kunst- und Kulturgut, das infolge der sogenannten Bodenreform auch enteignet wurde, auf breiter Quellengrundlage erforscht und in einer Pilotstudie dargestellt werden. Die Fragestellung richtet sich auf den Verlauf und den quantitativen Umfang der „Sicherstellung“, die daran beteiligten Akteure, schließlich auf die museale Nutzung, die Vernichtung und die kommerzielle Verwertung der Objekte auf dem internationalen Kunstmarkt.
Ihr Ansprechpartner
- Dr. Jan Scheunemann
- Restitution
- Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
- Paracelsusstraße 23
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